Original article

Ein Telemedizinsystem für Schwangerschaftsdiabetes

DOI: https://doi.org/10.4414/smi.30.00306
Publication Date: 15.10.2014

Krampf Johannes, Bromuri Stefano, Puricel Serban, Diolosa Laura, Puder Jardena, Montreuil Chantal, Schumann René, Ruiz Juan, Schumacher Michael

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Abstract

A telemedicine system for gestational diabetes

Gestational diabetes is a form of diabetes which affects about 5%-10% of all pregnancies and poses risks to mother and child. Telemedicine systems use telecommunication technologies for medical purposes.

A telemedicine system could reduce the time until the medical personnel receives blood sugar measurements from patients as well as the reaction time for adjustments to medical treatments. In this article the possibility of deploying a telemedicine system for gestational diabetes in clinical routine is studied.

Existing treatment guidelines have been formalised and the user interaction has been tested using a prototype system. The formalised treatment guidelines were integrated into an expert system. Based on this work a telemedicine system has been created and tested in the scope of a parallel-group, open randomised controlled trial with 24 patients. A qualitative analysis of the study results has been performed.

The telemedicine system worked correctly during the study duration. Study participants were satisfied with the provided care. The medical personnel considered telemedicine technology to be appropriate for the care of gestational diabetes patients. The reaction time for treatment adjustment was one to three days instead of one to two weeks.

Einführung

Dieser Artikel beschreibt ein Telemedizinsystem für Schwangerschaftsdiabetes. Telemedizinsysteme nutzen Mittel der Telekommunikation zu medizinischen Zwecken [1].

Schwangerschaftsdiabetes ist eine Glukoseintoleranz, die zum ersten Mal während der Schwangerschaft entdeckt wird. Diese Form von Diabetes tritt bei etwa 5‒10% der Schwangerschaften auf. Ein erhöhtes Risiko existiert unter anderem für übergewichtige und ältere Frauen. Für das Kind besteht das Risiko einer Makrosomie. Die Mutter hat ein erhöhtes Präeklampsie-Risiko. Die Behandlung erfolgt mit Ernährungsanpassung, regelmässiger körperlicher Betätigung und medikamentöser Behandlung. Eine medikamentöse Behandlung ist bei etwa 25% der betroffenen Frauen nötig [2].

In der aktuellen klinischen Standardbetreuung tragen Patientinnen ihre Blutzuckerwerte in ein Heft ein. Bei einem wöchentlichen oder zweiwöchentlichen Besuch werden die Werte vom Behandlungspersonal eingesehen. Dementsprechend kann die Reaktion auf erhöhte Werte, die eine medikamentöse Behandlung zur Folge haben, im schlimmsten Fall erst nach ein oder zwei Wochen erfolgen.

Ein Telemedizinsystem, welches von der Patientin eingegebene Blutzuckermesswerte direkt dem Behandlungspersonal zur Verfügung stellt, könnte diese Reaktionszeit verringern. Ein ins Telemedizinsystem integriertes Expertensystem könnte bestehende Behandlungsrichtlinien dazu nutzen, um das Behandlungspersonal auf abnorme Werte aufmerksam zu machen. Eine Überforderung des Behandlungspersonals durch eine grosse Anzahl eingehender Werte könnte so vermieden werden.

Es ist zu untersuchen, ob der Einsatz eines solchen Telemedizinsystems für Schwangerschaftsdiabetes im klinischen Alltag durchführbar ist.

Literaturdiskussion

Das Problem der Überwachung von Patientinnen, die von Schwangerschaftsdiabetes betroffen sind, wurde in der Vergangenheit untersucht [3, 4] und hat positive Ergebnisse für die Zufriedenheit der Patientinnen und die Schwangerschaft gezeigt. Allgemein gesprochen ist dank der Fortschritte in Telekommunikationstechnologien eine starke Zunahme von Telemedizinsystemen für die Überwachung von Diabetes zu beobachten. Eine aktuelle, umfangreiche Übersicht kann in [5] gefunden werden.

Nur 9% der in dieser Übersicht betrachteten Studien untersuchten Entscheidungsunterstützungstechniken, und nur eine Studie konzentrierte sich auf Telemedizin für Schwangerschaftsdiabetes. Mit diesem Hintergrund stellt das in diesem Artikel vorgestellte Telemedizinsystem für Schwangerschaftsdiabetes mit Expertensystem einen Fortschritt des Stands der Technik dar, da es eine wichtige Lücke im Bereich der Diabetesüberwachung füllt.

Unter den Telemedizinsystemen mit Entscheidungsunterstützung weist das in diesem Artikel vorgestellte System Ähnlichkeiten zu [6] und [7] auf.

Das in [6] vorgestellte System WellDoc basiert auf Mobiltelefonen und bietet Patienten Echtzeitrückmeldung für ihre Blutzuckerwerte. Das System zeigt eine Verbesserung der Blutzuckerkontrolle verglichen mit der Standardbehandlung. Im Gegensatz zu WellDoc konzentriert sich das hier vorgestellte System auf die Entscheidungsunterstützung für das medizinische Personal und nicht für die Patienten.

Die Arbeit von Lim und anderen in [7] nutzt wie auch das in diesem Artikel vorgestellte System ein regelbasiertes System für das Auslösen von Benachrichtigungen. Wie auch WellDoc liefert diese Arbeit Hinweise direkt an den Patienten.

Methodik

Das Projekt wurde in vier Etappen realisiert. In der ersten Etappe wurden die bestehenden Behandlungsrichtlinien formalisiert und eine erste Bewertung der Technologien durchgeführt. Anschliessend wurde ein System-Prototyp erstellt, um die Interaktion von Benutzern mit dem System zu testen. Auf Basis der gewonnenen Kenntnisse wurde in enger Kooperation zwischen medizinischem Personal und Entwicklern das endgültige System erschaffen. Zuletzt wurde das System im Rahmen einer Machbarkeitsstudie mit Patientinnen getestet.

Zur Formalisierung der Behandlungspraxis für die Nutzung im Expertensystem wurde zuerst entschieden, welche Daten erfasst werden und in welchen Situationen die Benachrichtigung des medizinischen Personals erfolgen sollte. Anschliessend wurden konkrete Bedingungen und Grenzwerte für diese Situationen festgelegt.

Weiterhin wurden die allgemeine Architektur geplant und Technologien beurteilt. Entscheidungen wurden für Sensoren, das Kommunikationsgerät auf Patientinnenseite und die Kommunikation zwischen Systemkomponenten getroffen.

In der nächsten Etappe wurde ein Prototyp des Systems erstellt. Das Expertensystem, eine Mobilanwendung und eine Serverkomponente mit integrierter Weboberfläche wurden parallel erstellt, in ein nutzbares System verbunden und getestet. Der Fokus war auf einer schnellen Umsetzung, um Nutzerinteraktionen konkret diskutieren und testen zu können.

Aufbauend auf den Erfahrungen des Prototypen wurde das finale System entwickelt. Dieses sollte Standardtechnologien nutzen, eine erweiterbare Architektur besitzen und für den Einsatz mit vertraulichen Patientinnendaten geeignet sein. Die Entwicklung erfolgte iterativ mit engen Kontakten zwischen medizinischem Personal und Entwicklern, um sicherzustellen, dass das System an die Bedürfnisse der Benutzer angepasst ist.

In der letzten Etappe wurden das System im Rahmen einer Machbarkeitsstudie mit 12 Patientinnen getestet und die Eindrücke im Vergleich zu einer der Standardbehandlung folgenden Kontrollgruppe qualitativ ausgewertet. Ebenso wurden das medizinische Personal befragt und die Antworten qualitativ ausgewertet.

Resultate

Formalisierung der Behandlungspraxis und Technologiewahl

In der ersten Etappe wurden die bestehende Behandlungspraxis formalisiert und die Situationen erhöhter Blutzuckerspiegel, niedriger Blutzuckerspiegel und Verdacht auf Präeklampsie diskutiert. Die Erfassung von Blutzuckermesswerten sollte wie auch in der Standardbehandlung vier oder wenn nötig sechs Mal pro Tag jeweils vor und nach Mahlzeiten erfolgen. Die Berechnung des Präeklampsie-Risikos benötigt weiterhin zwei tägliche Blutdruckmessungen. Symptome, die auf gefährliche Situationen hinweisen können, wie Atemnot oder Kopfschmerzen, können ebenfalls aufgenommen werden. Von der Patientin eingenommene Medikamente werden ebenfalls aufgezeichnet.

Um die Intelligenz während der Machbarkeitsstudie einfach zu halten, wurde entschieden, nur Regeln für erhöhte oder niedrige Blutzuckerspiegel umzusetzen. Blutdruckmessungen werden nicht durchgeführt. Zwei Beispielregeln werden folgend präsentiert:

‒Wenn zwei Blutzuckermesswerte zur gleichen Zeit an zwei aufeinander folgenden Tagen unterhalb von 4 mmol/l liegen und die Patientin mit Insulin behandelt wird, dann soll das medizinische Personal mit dem Hinweis auf einen niedrigen Blutzuckerspiegel benachrichtigt werden.

‒Wenn in zwei der letzten vier Tage ein Blutzuckermesswert zwei Stunden nach der gleichen Mahlzeit oberhalb von 8 mmol/l liegt, dann soll das medizinische Personal mit dem Hinweis auf einen hohen Blutzuckerspiegel benachrichtigt werden.

Auf der Seite der Technologie wurde erkannt, dass zum Moment der Entscheidungsfindung in der Schweiz keine kommunikationsfähigen Sensoren zugelassen waren. Aus diesem Grund wurde entschieden, handelsübliche Blutzuckermessgeräte zu nutzen und die Eingabe der Werte durch die Patientin erfolgen zu lassen.

Aufgrund ihrer Verbreitung und Kommunikationsfähigkeit wurde entschieden, Patientinnen mit einem Smartphone auszustatten. Die Entscheidung fiel auf die Android-Plattform.

Die Kommunikation zwischen Komponenten sollte über das Hypertext Transfer Protocol (HTTP) mit einer Representational state transfer (REST)-ähnlichen [8] Programmierschnittstelle erfolgen. Übertragene Daten sollen in der JavaScript Object Notation (JSON) dargestellt werden.

Prototyp

Für die nächste Etappe wurde ein Prototyp des Systems erstellt [9, 10]. Dabei wurde parallel an der Mobilanwendung für Patientinnen, dem Expertensystem und der Serverkomponente mit Weboberfläche gearbeitet.

Die Mobilanwendung wurde für die Android-Plattform umgesetzt und erlaubt die Eingabe, Anzeige, Speicherung und Übertragung von Blutzucker-, Blutdruck- und Gewichtsmessungen sowie von Symptomen (Abb. 1).

Das Expertensystem basiert auf der verteilten, Ereignis-basierten GOLEM-Agentenumgebung [11]. Die formalisierten Regeln sind in Prolog ausgedrückt [12].

Die Serverkomponente mit Weboberfläche wurde in Ruby mit der Webanwendungsbibliothek Sinatra geschrieben. Sie bietet eine Programmierschnittstelle, die es der Mobilanwendung erlaubt, Werte zu übertragen, eine Datenbankanbindung zur Speicherung der empfangenen Werte sowie eine Verbindung, um Werte zum Expertensystem zu senden und Benachrichtigungen vom Expertensystem zu empfangen. Die Weboberfläche erlaubt es dem medizinischem Personal, Patientinnenprofile und -messwerte anzusehen (Abb. 2).

Bei der Entwicklung des Prototypen wurde der Schwerpunkt auf eine kurze Entwicklungszeit gesetzt, um die Benutzerinteraktion testen und Rückmeldungen an einem konkreten Beispiel umsetzen zu können. Allerdings genügte die entstandene Software nicht den Ansprüchen an ein wartbares System, welches vertrauliche Patientinnendaten verarbeiten soll.

Telemedizinsystem

Aufbauend auf den Prototypen wurde daher das finale System erstellt. Dies erfolgte in enger Kooperation zwischen medizinischem Personal und Entwicklern. Für das finale System wurden die Serverkomponente und die Weboberfläche neu geschrieben. Weiterhin wurde die Sicherheit des Systems für die Arbeit mit vertraulichen Patientinnendaten angepasst. Eine hohe Anzahl von Tests soll die Fehlerarmut des Systems sicherstellen.

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Abbildung 1

Hinzufügen von Blutzuckermesswerten in der Mobilanwendung.

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Abbildung 2

Blutdruckdiagramm aus der Weboberfläche des Prototypen.

Die Mobilanwendung und das Expertensystem wurden erweitert und angepasst, um den endgültigen Anforderungen zu genügen. Die Kommunikation mit der neuen Serverkomponente erfolgt über eine beidseitig authentifizierte Transport Layer Security (TLS)-Verbindung, um sicherzustellen, dass Verbindungen nur für Inhaber eines vom Systembetreiber bereitgestellten Zertifikats möglich ist.

Die Weboberfläche wurde mittels Google Web Toolkit geschrieben, welches die Nutzung der Programmiersprache Java für die Weboberfläche erlaubte. Die Weboberfläche ermöglicht es dem medizinischen Personal, für jede Patientin allgemeine Patientinneninformationen, Benachrichtigungen, Konsultationen, Messwerte in Tabellenform, Messwerte in einem Punktdiagramm, Messwerte in einem Kreisdiagramm und medikamentöse Behandlungen aufzurufen.

Allgemeine Patientinneninformationen beinhalten Kontaktdaten, die relevante Krankengeschichte, andere behandelnde Mediziner und einige statistische Informationen. Benachrichtigungen weisen Mediziner auf eine vom Expertensystem erkannte Situation hin, deren zugrunde liegende Werte von einem Menschen überprüft werden sollten. Telefonische oder persönliche Konsultationen können für eine spätere Analyse aufgenommen werden. Die Anzeige der Messwerte in Tabellenform orientiert sich im Aussehen und in der Symbolik am Heft, welches in der Standardbehandlung zum Eintragen der Messwerte und eingenommenen Medikamente benutzt wird (Abb. 3). Ziel ist es, dem medizinischen Personal die Eingewöhnung zu erleichtern. Die Messwerte werden auf zwei Arten grafisch aufbereitet: in einem Punktediagramm, welches an das medizinische Personal gerichtet ist, und in Form eines Kreisdiagramms, welches Patientinnen einen einfachen Blick auf ihre Werte geben soll. Im Punktediagramm sind Messwerte zu verschiedenen Zeiten mit unterschiedlichen Farben und Zeichen hervorgehoben. Dies soll ‒ in Kombination mit dem im Hintergrund des Diagramms hervorgehobenen erwünschten Wertebereich ‒ dem medizinischen Personal ermöglichen, aussergewöhnliche Werte sowie die Werteentwicklung schnell zu sehen. Das Kreisdiagramm zeigt für jede Zeit die Anzahl der Werte, die zu niedrig, zu hoch oder im erwarteten Bereich lagen (Abb. 4). Dies soll es dem medizinischen Personal ermöglichen, Patientinnen auf einen Blick die Qualität ihrer Werte zu zeigen. Schliesslich ist dem medizinischen Personal noch möglich, die aktuelle medikamentöse Behandlung einzutragen und vergangene Behandlungen einzusehen.

Die Kommunikation der Weboberfläche mit der Serverkomponente erfolgt mittels einer einheitlichen Programmierschnittstelle, welche auch vom Expertensystem und der Mobilanwendung benutzt wird. Das zur Authentifizierung nötige Zertifikat wird auf einer Smartcard gespeichert und bildet neben einem Passwort einen der zwei benutzten Authentifizierungsfaktoren.

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Abbildung 3

Messwerttabelle in der Weboberfläche.

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Abbildung 4

Anzeige der Messwerte in Kreisdiagrammform in der Weboberfläche.

Die Serverkomponente baut auf der Standardtechnologie Java Enterprise Edition auf. Die Aufgaben der Serverkomponente sind Nutzerauthentifizierung, Bereitstellung einer REST-ähnlichen Programmierschnittstelle zum Abrufen und Senden von Daten für die Mobilanwendung, die Weboberfläche und das Expertensystem, verschlüsselte Speicherung der vertraulichen Patientinneninformationen und Benachrichtigung des Expertensystems beim Empfang neuer Messwerte.

Die Serverkomponente besteht dabei aus zwei Teilen: einer allgemeinen Schicht, die von Krankheiten unabhängige Aufgaben und Vorlagen für aufzunehmende Messwerte mit sinnvollem vorgegebenen Verhalten umfasst, sowie einer auf Schwangerschaftsdiabetes angepassten Schicht, die auf der allgemeinen Schicht aufbaut, um die nötigen Messwerttypen und spezialisierten Verhalten für Schwangerschaftsdiabetes umzusetzen.

Die Kommunikation zwischen den Komponenten wird in Abbildung 5 gezeigt. Die Pfeilrichtung zeigt, welche Komponente die Kommunikation beginnt. Alle Verbindungen erfolgen entweder über beidseitig authentifizierte TLS-Verbindung oder mittels sicherer Zwischen-Prozess-Kommunikation.

Die Mobilanwendung nutzt die von der Serverkomponente bereitgestellte Programmierschnittstelle, um von der Patientin eingetragene Messwerte zu versenden. Die so empfangenen Messwerte werden – vorausgesetzt, der Sender ist authentifiziert und berechtigt, Messwerte für die entsprechende Patientin zu erstellen – verschlüsselt in der Datenbank gespeichert und das Expertensystem über den neuen Messwert benachrichtigt. Sollte dieser Messwert eine Benachrichtigung seitens des Expertensystems verursachen, so wird diese mit Hilfe der Programmierschnittstelle der Serverkomponente ebenfalls gespeichert. Das medizinische Personal kann mittels der Weboberfläche auf die in der Datenbank gespeicherten Messwerte und Benachrichtigungen zugreifen und nutzt dazu ebenfalls die Programmierschnittstelle der Serverkomponente.

Machbarkeitsstudie

Das Telemedizinsystem wurde in einer offenen, randomisierten und kontrollierten Studie mit Parallelgruppen am CHUV getestet. Die Aufnahme von am Universitätsspital behandelten Patientinnen mit Schwangerschaftsdiabetes in die Studie erfolgte von Februar bis Juni 2013. Kandidaten mussten Französisch sprechen können und sich zwischen der 24. und 32. Schwangerschaftswoche befinden. Patientinnen mussten vor der Aufnahme eine Einverständniserklärung unterschreiben. Insgesamt 24 Patientinnen nahmen an der Studie teil [13].

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Abbildung 5

Architektur des Telemedizinsystems.

Die Patientinnen wurden in zwei Gruppen eingeteilt: Die Standardprotokollgruppe (SP) und die Telemedizingruppe (TM). Die Patientinnen wurden vom zweiten klinischen Besuch bis zur Entbindung verfolgt. Patientinnen aus der SP-Gruppe wurden auf die übliche Weise verfolgt, was regelmässig geplante Klinikbesuche und das Eintragen von Blutzuckerwerten in ein Heft umfasst. Patientinnen aus der TM-Gruppe wurden mit dem Telemedizinsystem und regelmässig geplanten Klinikbesuchen verfolgt.

Ziele der Machbarkeitsstudie waren die Untersuchung der Durchführbarkeit einer kompletten Studie und die Bewertung der Funktionsweise des Telemedizinsystems sowie der Eignung für Patientinnennutzung. Weiterhin wurden Patientinnen und medizinisches Personal für eine qualitative Untersuchung befragt.

Diskussion

Die Bewertung des Systems erfolgt in drei Bereichen: Qualität des Telemedizinsystems von technischer Seite, die qualitative Bewertung des Systems durch Studienteilnehmer und medizinisches Personal und erste quantitative Vergleiche zwischen SP- und TM-Gruppen. Die quantitativen Ergebnisse sind nicht ausreichend statistisch gefestigt, um daraus Schlüsse ziehen zu können.

Das Telemedizinsystem hat seine Aufgabe während der Testzeit erfolgreich ausgeführt. Medizinisches Personal und Patientinnen konnten das System nach einer kurzen Einführung bedienen. Benachrichtigungen des Expertensystems wurden für zu niedrige und zu hohe Blutzuckermesswerte versandt, die eine signifikante positive Korrelation zwischen der Anzahl von Benachrichtigungen und Episoden mit zu hohen Blutzuckerwerten aufweisen.

Aus programmiertechnischer Sicht hat die Nutzung Java-basierender Technologien in allen Komponenten Vorteile beim Teilen von Datenbeschreibungsklassen gebracht. Darauf aufbauend wurde die Kommunikation zwischen den Komponenten automatisiert, was sowohl Arbeit als auch eine Fehlerquelle vermeidet. Das System war während der iterativen Entwicklung fehlerarm, was für den Entwicklungsansatz mit vielen Tests spricht.

Die Nutzung von weit verbreiteten Programmierschnittstellen hat das Testen des Gesamtsystems stark vereinfacht und ermöglicht auch relativ einfach den Austausch von Komponenten oder die Integration von Komponenten in andere Systeme.

Negativ zu bewerten ist die Komplexität zur Verwaltung der nötigen Zertifikate mit korrekter Beschränkung des jeweiligen Zugriffbereichs. Die Nutzung von Smartcards ist als positiv anzusehen, da die Nutzeridentität nicht an einen Rechner gebunden ist und die Zertifikate so sicher gespeichert werden konnten, verlangte aber intensive Kooperation zwischen Entwicklern und dem Informatikdienst des CHUV, bevor die Nutzung möglich war.

Die qualitative Bewertung des Telemedizinsystems erfolgte durch die Auswertung von Fragebögen, welche an das medizinische Personal und Studienteilnehmer gegeben wurden. Die Fragen für Patientinnen konzentrierten sich auf die Akzeptanz und Wahrnehmung der Technologie aus Patientinnensicht. Für das medizinische Personal wurden der Einfluss der Telemedizinnutzung auf den Arbeitsaufwand sowie die Meinungen gegenüber Telemedizinsystemen untersucht.

11 Patientinnen füllten den Fragebogen aus. Alle Patientinnen waren zufrieden mit der erhaltenen Behandlung, 73% waren sogar sehr zufrieden. Die Dateneingabe mit Hilfe eines Smartphones wurde von allen Patientinnen als einfach eingeschätzt, von 64% obendrein als sehr einfach. Alle Befragten haben genug Informationen zur Nutzung des Smartphones erhalten. Im Fall von 91% aller Patientinnen gab Telemedizintechnologie ein Gefühl von zusätzlicher Sicherheit.

Die vier befragten Betreuer sahen Telemedizintechnik als für die Betreuung von Schwangerschaftsdiabetespatientinnen geeignet an. Sie waren nicht der Meinung, dass weniger Konsultationen nötig wären. Als aussichtsreich eingeschätzt wurden eine mögliche Verbesserung der Behandlungsqualität durch die Möglichkeit der täglichen Kontrolle der Patientinnenwerte und die Zeitersparnis, die Benachrichtigungen mit direkten Hinweis auf Episoden mit hohen oder niedrigen Blutzuckerwerten erlauben. Weiterhin wurde die Reaktionszeit als positiv eingeschätzt: Die Zeit, um die medikamentöse Behandlung anzupassen, lag bei ein bis drei Tagen statt ein bis zwei Wochen (abhängig von der Besuchshäufigkeit) für die SP-Gruppe.

Teilnehmerinnen der Studie hatten im Durchschnitt 185 ± 96 Blutzuckermesswerte, wobei Teilnehmerinnen der TM-Gruppe mit 235 ± 86 bedeutend mehr Messwerte hatten als Patientinnen der SP-Gruppe mit 135 ± 80. Die Blutzuckerkontrolle mit Median[IQR] lag bei 5,4 mmol/l [4,7‒6,4] in der TM-Gruppe und bei 5,7 mmol/l [4,9‒6,7] in der SP-Gruppe (p <0,001). Vier von sechs täglichen Plasmablutzuckerwerten waren signifikant besser kontrolliert mit TM verglichen zu SP [14].

Danksagungen

Danke an Lucie Favre, Laura Marino, Giacomo Gastaldi, Arun Besse, Irma Blanco, Monique David, Aurélia Pahud, Magali Andrey, Justine Portmann, Sylvie Giradin, Joëlle Korpes und Tinh-Hai Collet für ihre Erfahrungen und Vorschläge während der Gestaltung des Systems und der Durchführung der Studie.

Diese Arbeit wurde von der Nano-Tera-Initiative finanziert.

Correspondence

Korrespondenz:

Johannes Krampf, Michael Ignaz Schumacher

Fachhochschule Westschweiz (HES-SO)

Institut Wirtschaftsinformatik

Technopole 3

CH-3960 Sierre

johannes.krampf[at]hevs.ch

michael.schumacher[at]hevs.ch

Literatur

1 http://www.duden.de , Stichwort: Telemedizin, Aufgerufen: 14.05.2014

2 Lehmann R, Troendle A, Brändle M. Neue Erkenntnisse zur Diagnostik und Management des Gestationsdiabetes. Therapeutische Umschau. 2009;695‒706.

3 Dalfra MG, Nicolucci A, Lapolla A, et al. The effect of telemedicine on outcome and quality of life in pregnant women with diabetes. J Telemed Telecare. 2009;15:238–42.

4 Mastrogiannis DS, Igwe E, Homko CJ. The role of telemedicine in the management of the pregnancy complicated by diabetes. Curr Diab Rep. 2013;13:1‒5.

5 El-Gayar OF, Timsina P, Nawar N, et al. A systematic review of IT for diabetes self-management: Are we there yet?Int J Medical Informatics. 2013;82:637–52.

6 Quinn CC, Clough SS, Minor JM, et al. WellDoc mobile diabetes management randomized controlled trial: Change in clinical and behavioral outcomes and patient and physician satisfaction. Diabetes Technology and Therapeutics. 2008;10:160–8.

7 Lim S, Kang SM, Shin H, et al. Improved glycemic control without hypoglycemia in elderly diabetic patients using the ubiquitous healthcare service, a new medical information system. Diabetes Care. 2011;34:308–13.

8 Fielding RT. Architectural Styles and the Design of Network-based Software Architectures, 2000. http://www.ics.uci.edu/~fielding/pubs/dissertation/top.htm

9 Krampf J, Bromuri S, Schumacher MI, et al. An Agent Based Pervasive Healthcare System: a First Scalability Study.Electronic Healthcare. 4th International Conference, eHealth 2011, Malaga, Spain. 2012.

10 Bromuri S, Krampf J, Schumann R, et al. Enforcing Security in Pervasive Healthcare Monitoring Gestational Diabetes Mellitus.Proceedings of the Fourth International Conference on eHealth, Telemedicine, and Social Medicine (eTELEMED 2012). 2012; p. 221‒6.

11 Bromuri S, Stathis K. Distributed agent environments in the Ambient Event Calculus. Distributed Event-Based Systems. 2009.

12 Bromuri S, Schumacher MI, Stathis K, et al. Monitoring Gestational Diabetes Mellitus with Cognitive Agents and Agent Environments. Proceedings of the 2011th IEEE/WIC/ACM International Conference on Intelligent Agent Technology (IAT 2011). 2011.

13 Puricel S, Bromuri S, Krampf J, et al. Telemedical Outpatient Monitoring and Management of Gestational Diabetes Mellitus by the G-DEMANDE System: a randomized controlled Feasibility Study (Tele-GDM). Proceedings of the 7th International Conference on Advanced Technologies & Treatments for Diabetes. 2014.

14 Puricel S, Bromuri S, Diolosa L, et al. Evaluation de la faisabilité d'un suivi par télémédecine pour les femmes avec un diabète gestationnel dans le cadre du programme de suivi systématique dans la consultation de diabétologie CHUV-PMU. Diabetes & Metabolism. 2014.

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